Vorkauf zurückgezogen! Rocket Internet kauft die Urbanstraße 67!
  • Der Vorkauf wurde am 2.10.2019 vom Bezirk zurückgezogen.
  • Die Urbanstraße 67 wurde von Rocket Internet gekauft.
  • Seit dem 1.11.2019 gibt es eine neue Hausverwaltung Von Rüden GmbH.
  • Zur Zeit laufen Aufmessungsarbeiten im gesamten spekulationsattraktiven Fabrikgebäude.

Stellungnahme

Nachdem Presse und politische AkteurInnen zum gescheiterten Vorkauf unseres Hauses berichtet haben, wollen nun auch wir unsere Perspektive zu den Geschehnissen der letzten Monate schildern.



Rückblickend auf die letzten sechs Monate können wir feststellen, dass wir von Beginn an vor großen Herausforderungen standen, aufgrund der besonderen Situation unseres Hauses. Gerade die hochgehaltene Berliner Mischung, die wir hier leben, wurde uns, wie wir jetzt erfahren mussten, zum Verhängnis. An die Finanzierung von Häusern, in denen gleichzeitig gearbeitet und gewohnt wird, haben sich bisher kaum landeseigene Drittkäufer herangewagt. Auch wohl deswegen zeigte die Gewobag nur bedingtes Interesse an unserem Häuserkomplex, weshalb uns keine andere Wahl blieb, als die Vorderhäuser von der Fabrik zu trennen. Die Gewobag erklärte sich bereit die beiden Vorderhäuser zu ihren Konditionen zu kaufen, wenn wir eine alternative Finanzierungslösung für die Fabrik finden. Aus der Not heraus geboren und der Chance entgegenblickend, waren wir bereit eine Genossenschaft zu gründen, um unsere Häuser dem spekulativen Wohnungsmarkt zu entziehen. Aufgrund der Berliner Mischung und der Teilung der Häuser wurden wir somit zum Präzedenzfall des Berliner Vorkaufsmarathons 2019.

Im Vorkaufsprozess haben wir die Erfahrung gemacht, dass sehr viel Verantwortung und Aufgaben von den MieterInnen übernommen werden mussten. Und wir waren auch bereit diese zu übernehmen! Wir haben in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit investiert, um uns mit anderen Häuser zu vernetzen, uns dem wachsenden Widerstand anzuschließen und uns wohnpolitisch zu engagieren. Viele Stunden und Ideen sind in die Entwicklung von Hauskonzepten, Finanzierungsmöglichkeiten und Öffentlichkeitsarbeit geflossen. Aus unserer Sicht haben wir alle Voraussetzungen erfüllt, um den Vorkauf zu ermöglichen. Viel Aufwand wurde betrieben, um die notwendigen Sanierungsarbeiten und infolgedessen die Kosten einzuschätzen. Wir waren bereit Kredite aufzunehmen, Eigenkapital einzubringen sowie freiwilligen Mietsteigerungen, im Rahmen unserer Möglichkeiten zuzustimmen. Mit dem Ziel ein Darlehen in Millionenhöhe von der Bank zu erhalten, um das Haus selber zu kaufen und nicht an einen renditeorientierten Investor zu verlieren.

Die monatelange Aufgabenbewältigung in der Vorkaufsphase brachte für alle MieterInnen eine große psychische und emotionale Mehrfachbelastung mit sich. Viele mussten aufgrund der vielfältigen Aufgabenbewältigung Beruf, Familie und soziale Kontakte unterordnen. Seinen Wohn- und Arbeitsort zu verlieren, heißt nicht nur aus seinem sozialen Umfeld gerissen zu werden, sondern auch in seiner Existenz massiv bedroht zu sein. Und nur aus dieser Sorge heraus konnten wir die Kraft aufbringen uns gegen den Verkauf unseres Hauses zu stellen.

Bis zuletzt haben wir auf die eingeplanten Zuschüsse des Landes gehofft, doch trotz des großen Einsatzes von Baustadtrat Florian Schmidt und unserer Hausgemeinschaft konnten sie nicht bereitgestellt werden. Die Begründung waren bürokratische Hürden und fehlende Strukturen seitens des Senats, der nicht auf die Förderung von Häusern mit einer Mischung aus Wohnen und Gewerbe vorbereitet ist.

Jetzt ist eingetroffen, was wir versucht haben zu verhindern. Der Vorkauf wurde zurückgezogen und eine Tochterfirma von Rocket Internet ist offiziell Eigentümer der Urbanstraße 67. Trotz der Aussage seitens Rocket, sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu sein, waren sie nicht bereit die übliche, verschärfte Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben. Im Gegenteil, in der von ihnen eingereichten, aufgeweichten Abwendungsvereinbarung, die für die Vorderhäuser gilt, haben sie unseres Wissens nach u.a. die Strafzahlungen bei Verstößen von 1 Million € auf 100.000 € gesenkt und die Laufzeit des Vertrags von den bei Abwendungsvereinbarungen sonst üblichen 20 Jahren auf 10 Jahre reduziert. Weiterhin möchten sie anscheinend mit den Wohnmietenden der Fabrik Einigungen treffen, damit diese ihre Wohnungen aufgeben. Im Gegensatz zu den normalen Wohnmietverträgen der Vorderhäuser laufen die Mietverträge aller Gewerbetreibenden der Fabrik zeitnah aus und keiner davon soll verlängert werden. Diese Regelungen haben nichts mit einem realen Milieuschutz zu tun und sind für uns unzumutbar.  

  • Wir fordern von Rocket Internet, den Schutz ALLER Mietenden sicherzustellen, sowohl Gewerbe als auch Wohnende!
  • Wir fordern den Erhalt unserer Hausgemeinschaft und damit die Verlängerung der Mietverträge zu sozialverträglichen Konditionen!
  • Wir fordern die Politik auf, Veränderungen der Strukturen vorzunehmen, die Fördermöglichkeiten im Vorkaufsprozess für Gewerbe und Wohnen ermöglichen!
  • Wir fordern Milieuschutz und Mietendeckel für Kleingewerbe!
  • Wir fordern spekulationsfreien Wohnraum!
  • Wir fordern alle Akteure auf, die sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt bewegen, sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu werden!


EIGENTUM VERPFLICHTET!